Schlagwort: Katastrophe Zeltfest

Katastrophe bei Zeltfest

Katastrophe Zeltfest Sturm Zeltfest
Katastrophe bei Zeltfest

Katastrophe bei Zeltfest

By Markus Reitsamer on 20. Sept.2017
MIt
Update vom 18.4.2018
Hinweis: Die in diesem Bericht enthaltene Analyse gibt die ganz persönliche Meinung des gezeichneten Autors wieder und entspricht keinesfalls zwingend der Haltung und Meinung der anderen Mitglieder des KatSchutz.info-Teams.
Zeltfestunglück Unfall Festzelt Zeltfest-Unglück Katastrophe bei Zeltfest Zeltfest Zeltunglück Unwetter-Tragödie bei Zeltfest

„So eine Katastrophe war un-vorhersehbar!“
Kam tatsächlich alles völlig unerwartet?

Bei einem Feuerwehr-Zeltfest im Ortsteil Frauscheck in der >>> Gemeinde St. Johann im Walde im Bezirk Braunau in Oberösterreich kam es am Freitagabend den 18. August 2017 beim Zeltfest der >>> Freiwilligen Feuerwehr Frauschereck zu einer Katastrophe. Eine heftige Sturmböe hatte das große Festzelt erfasst und zum Einsturz gebracht, in dem sich zu diesem Zeitpunkt 650 Besucher befanden. Zwei Menschen wurden durch die einstürzenden Gerüstteile getötet, 28 Personen schwer, 87 weitere Personen leicht verletzt. Einige Opfer kämpften auf Intensivstationen viele Tage um ihr Leben.

Artikel zur Katastrophe
Artikel zur Katastrophe
>>> VIDEO 1
>>> VIDEO 2
>>> VIDEO 3
>>> VIDEO 4
>>> VIDEO 5

Laut Oberösterreichs Feuerwehrkommandant Dr. Wolfgang Kronsteiner steht hinter dem Feuerwehrfest ein „sehr erfahrener, sehr umsichtiger und sehr vorsichtiger Veranstalter. Kronsteiner sagte, es gebe keinen Zweifel daran, dass alle Auflagen und Sicherheitsmaßnahmen beachtet wurden. Es sei auch ein TÜV-geprüftes Zelt zum Einsatz gekommen, dass nicht nur für solche Veranstaltungen, sondern auch für die Gegend geeignet sei. Kronsteiner meinte, so etwas habe man noch nie erlebt. Die Natur habe auf dramatische Weise gezeigt, wie verletzbar wir sind.

Landes Feuerwehr-Kdt. Dr. Kronsteiner im >>> Interview

Zudem seien die orkanartigen Böen, die das Festzelt vollständig zum Einsturz brachten, in dieser Stärke nicht vorhergesagt worden. Die Wetterlage sei ständig beobachtet worden. „Weil die Warnungen ja da waren, aber es gab keinerlei Anzeichen für so ein Ereignis“, sagte der Kommandant der Feuerwehr Frauscheck, Erich Feichtenschlager. Er sei zum Zeitpunkt der Orkanböe selbst beim Zelt gewesen, habe gerade Richtung Wald geschaut, als es geschah. Und „in fünf bis zehn Sekunden sei das Zelt weg gewesen.

Mit diesem Ereignis habe niemand rechnen können. So der Bürgermeister von St. Johann im Walde, Gerhard Berger (SPÖ), der so wie Kronsteiner ebenfalls Verfehlungen bei den Vorbereitungen ausschloss.

Es dürfen nun keine voreiligen Schlussfolgerungen gezogen werden. Auch Schuldzuweisungen an einzelne vor Ort handelnde Personen sind fehl am Platz.
Jedoch ist es angezeigt, sich über das Geschehen Gedanken zu machen. Auch kritische Fragen sind zu stellen.

  • Wurden die in der >>> Veranstaltungsanzeige anzugebenden „…vorhandenen und vorgesehenen Sicherheitseinrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen…“ gemäß  >>> OÖ Veranstaltungssicherheitsgesetz eingehalten und erfüllt?
  • Wer hatte vor Ort einen Gesamtüberblick über die Wetterlage?
  • Wie kamen die notwendigen Wetter-Informationen an die richtigen Empfänger?
  • Wer konnte die empfangenen Informationen über die Wetterentwicklung richtig bewerten?
  • Gab es eine übergeordnete Stelle, welche das Wettergeschehen laufend beobachtet hatte und wenn möglich rechtzeitig Alarm auslösen hätte können?
  • War durch eingehende Wetterbeobachtung der Wetterentwicklung über einen längeren Zeitraum das drohende Sturmereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersehbar?
  • War das Wettergeschehen somit vorhersehbar und ist nicht „…..plötzlich und völlig unerwartet….“ einfach vom Himmel gefallen?
  • Gab es klare Anzeichen dafür, dass ein heftiges Unwetter mit starken Sturmböen somit auch das Innviertel treffen wird?
  • Oder sind derartige unvorhersehbare Wetterereignisse eben als ganz normales Lebensrestrisiko anzusehen?

Wetterwarnungen oder doch nicht?

Es sei zumindest zwei Stunden vorher absehbar gewesen, dass es zur fraglichen Zeit im Bezirk Braunau zu einem starken Gewitter mit Sturmböen kommen werde. Das sagte Nikolas Zimmermann vom Wetterdienst >>> Ubimet.

Möglicherweise hat es auch am >>> Vorhersageportal INCA der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) erste Hinweise auf eine herannahende Gewitterfront mit hohen Windgeschwindigkeiten gegeben.

Bereits am Vormittag des 18. August 2017 gab es für die betroffene Region auf dem Internetportal der >>> ZAMG eine orange >>> Gewitterwarnung. Das bedeutet: Organisierte Gewitterlinien mit Starkregen, Sturmböen, Hagel möglich. Ebenso Schäden durch Blitzschlag, Baumbruch und Beeinträchtigungen bei der Infrastruktur. Eine solche Warnung ist selten. Wird für Salzburg und Oberösterreich etwa fünf Mal pro Jahr ausgegeben. Völlig überraschend kam der Sturm in dieser Heftigkeit also nicht.
Ein bis zwei Stunden vor dem Unglück hat es für das Innviertel und Mühlviertel eine neuerliche Sturmwarnung mittels Kurz-Warnung durch die ZAMG gegeben. Dabei war für die Zeit zwischen 22 und 23 Uhr vor Windböen mit Geschwindigkeiten um die 120 km/h gewarnt worden. (An der ZAMG-Messstelle in >>> Braunau/Ranshofen wurden zum Unglückszeitpunkt dann tatsächlich Windgeschwindigkeit von 126 km/h gemessen).
Solche Kurz-Warnungen gehen allerdings nur an ZAMG-Abonnenten. Die OÖ Landeswarnzentrale hat diese Warnung bekommen. Dort wusste man somit: Das kann heikel werden. Die FF Frauschereck als Veranstalter jedoch hat diese spezielle Kurz-Warnung nicht erhalten, da sie diesen Dienst nicht abonniert hatte.

Das Wettergeschehen und die Wetterentwicklung haben sich am Freitag, 18.8.2017 auf >>> Kachelmannwetter lange vorher wie folgt beobachten lassen:

>>> https://kachelmannwetter.com/de/stormtracking/bayern/radar/20170818-1755z.html

>>> https://kachelmannwetter.com/de/stormtracking/bayern/radar/20170818-1845z.html

>>> https://kachelmannwetter.com/de/stormtracking/bayern/radar/20170818-2020z.html

Satelitenbilder am 18.08.2017 um 20:15 Uhr
>>> https://kachelmannwetter.com/de/sat/bcf1e1649f215a93c7eb65f382c4a689/satellit-nature-5min/20170818-1815z.html

Windgeschwindigkeiten in Bayern am Freitag, 18.8.2017 um 21:00 Uhr
>>> https://kachelmannwetter.com/de/messwerte/bayern/windboeen/20170818-1900z.html

Blitz-Analyse für Deutschland am Freitag, 18.8.2017 um 20:00 Uhr
>>> https://kachelmannwetter.com/de/blitze/deutschland/20170818-1800z.html

Maximale Wingeschwindikeiten von Windböen am Freitag, den 18.8.2017:
>>> https://kachelmannwetter.com/de/messwerte/bayern/windboeen/20170818-1900z.html

Das >>> OÖ Veranstaltungssicherheits-Gesetz besagt u.a., dass der Veranstalter dafür zu sorgen hat, dass die Besucherinnen und Besucher im Notfall rechtzeitig zum Verlassen der Veranstaltungsstätte aufgefordert werden und diese auch rasch und gefahrlos verlassen können.

Jedes Unglück hat seine sehr spezifische Entstehungsgeschichte und einen speziellen Ereignisablauf. Nach der tödlichen Katastrophe in Sankt Johann am Walde ermittelt nun die >>> Staatsanwaltschaft.
Ermittelt wird, ob das Zelt ordnungsgemäß aufgebaut war und ob Unwetterwarnungen beachtet wurden. Eine Stellungnahme der >>> Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) werde angefordert.

Es wird dabei auch um die Frage gehen, ob es Wetterwarnungen für einen derartigen Sturm gab. Und eventuell eine Evakuierung des Festzeltes erforderlich gewesen wäre. Die diesbezüglichen Untersuchungen der Staatsanwaltschaft sowie deren Bericht sind abzuwarten. Danach sind jedoch allenfalls notwendige Schlüsse zu ziehen und auf übergeordneter Ebene die erforderlichen Maßnahmen umgehend umzusetzen.

  • Es geht eben nicht um Vorverurteilungen, Schuldzuweisungen oder voreilige Schlussfolgerungen. Es geht aber auch darum:
    Was kann man aus so einer Katastrophe lernen?
  • Was kann zukünftig organisatorisch eventuell besser gemacht werden?
  • Sind auch bei solchen Veranstaltungen laufende Wetterbeobachtungen und allfällige zeitgerechte Wetterwarnungen durch Fachleute vorzusehen?

Dabei ist klar und deutlich festzuhalten:

  • Wie sollte ein Veranstalter etwa eines Feuerwehr-Festzeltes laufend Wetterbeobachtungen durchführen?

  • Müsste diese Wetterbeobachtung durch den Kdt erfolgen oder gäbe es dafür auch einen eigenen „Wetterbeobachter“?

  • Welche der zahlreichen Internet-Wettervorhersage-Seiten müssten dabei beobachten werden?

  • Wie lange vor einer Veranstaltung müsste das Wettergeschehen beachtet werden?

  • Würde das Aufrufen einer einzigen Wettervorhersage-Seite genügen?

  • Oder müssen zwingend mehrere beachtet werden?

  • Und wenn ja, welche?

  • In welchem Zeitabstand müsste das Wettergeschehen beobachtet werden?

  • Jede Minute, alle 10 Minuten, jede 1/2-Stunde oder nur stündlich?

  • Was ist zu tun, wenn sich die einzelnen Wetterdienste bei ihrer Prognostik widersprechen?

  • Wer hat die Entscheidung vor Ort zu treffen, ob eine Veranstaltung etwa wegen eines herannahenden Unwetters abzubrechen wäre?

  • Wann muss eine Veranstaltung abgebrochen werden?

  • Und wer haftet, wenn das Unwetter doch vorüber zieht?

  • All diese Entscheidungen sollen tatsächlich einem vor Ort tätigen Feuerwehr-Kommandaten auferlegt werden?

Damit ist wohl klar ersichtlich:

Eine solche Herkules-Aufgabe kann und darf einem einzelnen Kommandanten einer Ortsfeuerwehr einfach nicht aufgebürdet werden! Eine derart fundierte Wetterbeobachtung und -bewertung kann nur von fachlich dazu ausgebildeten und geschulten Kräften auf höherer Ebene erfolgen.
Eine derartige Wetterbeobachtungsstelle kann meiner Meinung nach nur zentral eingerichtet sein. Diese Beobachtungsstelle muss neben der reinen Wetterbeobachtung aber auch konkrete Bewertungen von drohenden Unwetter-Ereignissen abgeben. Denn auf die Bewertung kommt es letztendlich an.

Nachtrag vom 10.02.2018:
Es gibt klarerweise keine 100%-Sicherheit, um solch tragische Ereignisse zu verhindern. Wie aber könnte dennoch eine Verbesserung der Situation erreicht werden?
1) Wetterseiten im Internet: Vorausschauende und laufende Wetterbeobachtungen von >>> Wetterseiten im Internet auch über Smartphone durch Veranstalter.
2) Zentrale Wetterbeobachtungsstelle: Einrichtung einer zentralen Wetterbeobachtungsstelle bei Bundeswarnzentralen bzw. Landeswarnzentralen.
3) Wetter-Warnplattform: Einrichtung einer im Internet abrufbaren Wetter-Warnplattform bei Bundeswarnzentralen bzw. Landeswarnzentralen.
4) Wetter-Beurteilung: Beobachtung, Einschätzung und Beurteilung des Wettergeschehens durch fachkundiges Personal in den Bundeswarnzentralen bzw. Landeswarnzentralen. Klare Ersichtlichmachung von Wetterwarnungen auf diesen Wetter-Warnplattformen im Internet.
5) Wetterbeobachtung via Smartphone: Vorausschauende und laufende Wetterbeobachtungen dieser zentralen Wetter-Warnplattformen der Bundeswarnzentralen bzw. Landeswarnzentralen auch über Smartphone durch Veranstalter.

………………….

Update vom 22.8.2017
Wer ist für die Sicherheit bei Veranstaltungen zuständig?
Bei Gefahr im Verzug liegt die Verantwortung für die Sicherheit in erster Linie beim Veranstalter des Festes.
In zweiter Linie ist es der Bürgermeister, der bei Gefahr einen Abbruch verfügen muss. Bei Festen mit weniger als 2500 Gästen ist der Ortschef für die Veranstaltungsgenehmigung zuständig. Sowie für das Vorschreiben von Sicherheitsauflagen nach dem >>> OÖ Veranstaltungssicherheitsgesetz.

Staatsanwaltschaft ermittelt
Vorerst gegen unbekannt wegen >>> § 177 StGB (Fahrlässige Gemeingefährdung mit Todesfolge, Strafrahmen drei Jahre Haft). Dazu hat sie zwei Gutachter bestellt. Einer, welcher alle technischen Spezifikationen rund um das Festzelt zu untersuchen hat. Sowie zum Wettergeschehen einen Meteorologe der ZAMG. Zudem wird ermittelt, welche Personen wann wie und worüber informiert waren.

Update vom 13.9.2017
Zeltfest-Katastrophe: Werden die Auflagen nun strenger?
Zelte sollten nach Aufbau stets von einem Zivilingenieur oder Zeltmeister technisch abgenommen werden, empfiehlt das Land Oberösterreich den zuständigen Gemeinden… >>> weiter

Update vom 10.2.2018
Erste Ergebnisse aus dem Wettergutachten der ZAMG liegen nun vor… >>> weiter

Update vom 18.4.2018
Nach Zeltfest-Unglück: Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Ried eingestellt
>>> http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/Nach-Zeltfest-Unglueck-Ermittlungen-der-Staatsanwaltschaft-Ried-eingestellt;art4,2873374
>>> http://www.fireworld.at/berichte/details/news/ooe-zeltfesttragoedie-feuerwehr-frauschereck-staatsanwaltschaft-stellt-ermittlungen-ein/

„Zusammengefasst ergab das Gutachten, dass im Bereich des Standortes des Zeltfestes Frauschereck am 18. August 2017 zwischen 22.31 Uhr und 22.34 Uhr Windspitzen innerhalb eines Intervallbereiches von 120 bis 180 km/h möglich waren und der Wind „plötzlich und unvermittelt“ einsetzte.
Die wahrscheinlichen tatsächlichen Windgeschwindigkeiten werden im Gutachten mit 120 bis 150 km/h, also Orkanstärke, beschrieben.

Laut Staatsanwaltschaft habe es einen Evakuierungsplan der Feuerwehr Frauschereck für Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 km/h gegeben.
Dieser Plan sei vor Beginn der Veranstaltung durchbesprochen worden.

Der Kommandant habe sich mehrmals und nachweislich mehrfach über die aktuelle Wetterlage und Wetterentwicklung informiert.

Bis 25 Minuten vor dem Auftreten der heftigen Sturmböen habe es bei keinem der gängigen Wetterdienste (ORF, UBIMET, ZAMG, UWZ) Sturmwarnungen mit zu erwartenden Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 km/h gegeben, heißt es von der Staatsanwaltschaft.

Eine Warnung von 22.05 Uhr von der Landeswarnzentrale Oberösterreich,
dass die erwartenden Windspitzen zwischen 110 und 120 km/h liegen und in 20 bis 30 Minuten eintreffen könnte, sei dem Kommandanten erst um 22.38 Uhr, also bereits nach der Zerstörung des Zeltes, übermittelt worden.“

Unter Kachelmannwetter war hingegen schon zumindest ab etwa 20:00 Uhr auch für einen Laien erkennbar: Da bewegt sich ein mächtiges Unwetter von Bayern kommend Richtung Osten und damit auch auf Frauschereck zu.
Das hätte man schon 2 Stunden VOR dem Unglück erkennen können.
Wenn da nur jemand rein geschaut hätte.
>>> https://kachelmannwetter.com/de/stormtracking/bayern/radar/20170818-1800z.html

Also es wäre mehr als 2 Stunden Zeit gewesen, um das Zeltfest abzusagen, das Festgelände zu räumen und damit Menschenleben zu retten!!!!

Siehe dazu die in diesem Artikel weiter oben angeführten genauen Voraussagen des Wettergeschehens lange vor dem plötzlich und unvermittelt einsetzenden Sturm….

Nein, es geht hier nicht um Schuldzuweisungen. Es geht schlicht und einfach um eine differenzierte Nachbetrachtung dieses Geschehens. Und um notwendige Schlussfolgerungen, Verbesserungen.
Um derartige herannahende Unwetter-Ereignisse in Zukunft genauer vorherzusehen, muss es zu einer wesentlich umfangreicheren Wetterprognostik und  Wetterbeurteilung kommen.
Das sollten wir allen Opfern dieses Unglücks wirklich schuldig sein.